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"Zwei Staaten, zwei Vertretungen"
Interview: Tageblatt (Tobias Senzig)
Tageblatt: Was planen Sie hinsichtlich der Anerkennung Palästinas durch Luxemburg?
Xavier Bettel: Ich plane und probiere für Ende des Jahres etwas.Priorität hat, etwas Gemeinsamesmit den Kollegen zu machen.Etwas Koordiniertes, das Wirkunghat. Mit den Ländern, die es nochnicht gemacht haben. Damit etwaspassiert.
Tageblatt: Welche anderen Länder meinen Sie?
Xavier Bettel: Da sind die Benelux-Länder,Deutschland, Frankreich, Österreich. Die Hälfte der EU hat Palästina noch nicht anerkannt, ichglaube, es sind 48 Länder weltweit. Auch wenn Japan, Korea, Singapur oder Australien mitmachenwürden, wäre das bestimmt etwasanders, als wenn Luxemburg es alleine machen würde.
Tageblatt: Würde Luxemburg auch denAlleingang wagen?
Xavier Bettel: Es kann nicht sein, dass Palästina in der Situation bleibt, in der esist. Wenn wir nichts Gemeinsamesfinden, dann müssen wir unseren eigenen Weg gehen. Eine derMöglichkeiten, die ich im Momentanalysiere, ist, dass wir diplomatische Vertretungen in Palästinaund Israel gleichzeitig aufmachen. Was dann ipso facto auch eineAnerkennung Palästinas ist. ZweiStaaten, zwei Vertretungen. Ichwill bis Ende des Jahres eine Entscheidung treffen, dann muss ichdas auf den Weg setzen.
Tageblatt: Im Oktober reisen Sie nach Israel. Was haben Sie dort vor,gerade vor diesem Hintergrund?
Xavier Bettel: Ich werde den Parteien in Israelund Palästina sagen, was ich vorhabe. Wenn ich keine koordinierteLösung habe, werde ich den luxemburgischen Weg ankündigen. Mein Wunsch wäre noch immer,etwas Koordiniertes, was ebenauch eine Wirkung haben kann. Sonst müssen wir eben unsere Verantwortung übernehmen. Und daswerde ich dann Ende des Jahresdem Regierungsrat vorschlagen.
Tageblatt: Israel hat Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah am Freitag durcheinen Luftangriff getötet. Wassagen Sie zu den aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten?
Xavier Bettel: Mein erster Gedanke geht andie Menschen. Sie haben vielleichteinen Terroristen getötet, aber dassdann Kollateralschäden einfach ignoriert werden... Wir vergessen,dass da Leute sterben, die nichtsdamit zu tun haben. Und dass derHass nur wachsen wird in nächsterZeit. Wenn man die Garantie gibt,dass mit dem Tod des Hisbollah-Chefs die Hisbollah verschwindenwürde, dann würde ich unterschreiben. Aber es ist wie beimTintenfisch: Ein Arm ist weg, dernächste kommt nach. Es kommtein neuer Hisbollah-Chef, irgendwann. Dann ist symbolisch etwaspassiert, aber auf dem Feld vielleicht sogar mehr Öl ins Feuer gegossen worden.
Tageblatt: Sie haben in der Generalversammlung eine Idee für eineUNO-Reform präsentiert. Wiesoll ausgerechnet Luxemburgso etwas hinbekommen?
Xavier Bettel: Es ist wichtig, dass erst malVorschläge auf den Tisch kommen. Jeder redet seit Jahren darüber, dass etwas passieren soll,aber es gibt nur wenige Vorschläge. Deshalb habe ich mir gesagt: Jetzt machen wir mal einen- den mit der Zweidrittelmehrheit im Sicherheitsrat und nachher in der Vollversammlung. Ichwill einfach mal die Diskussionstarten.
Tageblatt: Warum sollte die UNO dennreformiert werden?
Xavier Bettel: Wir haben ein Relikt des Zweiten Weltkrieges, in dem verschiedene Länder Garant desFriedens von damals sein sollten und die heute den Friedentorpedieren. Und dann einfachzu sagen, jetzt müssen wir nochJapan und Korea und Brasilienund die Türkei in den Sicherheitsrat bringen — ohne eine Reformdes Vetorechts ist das doch Irrsinn. Dann machen sie es ja nochkomplizierter.
Tageblatt: Sind die Vereinten Nationen denn überhaupt nochhandlungsfähig?
Xavier Bettel: Nein, das, was es ist, ist eineDialogplattform - aber keine Einsatzplattform. Man redet viel, aberwenig kommt konkret dabei raus,wie die internationale Gesetzgebung, die wir uns gegebenhaben, eingehalten werden kann. Wir sehen, dass der Mechanismustrotzdem ziemlich fragil ist.
Tageblatt: Es gab ja schon einigeReformversuche. Keiner hatbis jetzt gefruchtet.
Xavier Bettel: Die fünf permanenten Mitglieder im Sicherheitsrat habenkeine Lust, ihr Vetorecht aufzugeben. Wir haben uns immerRegeln gegeben, dass alles gutläuft. Es hätte ja keiner gedacht,dass wir fast wieder eine Kriegssituation hätten zwischen denständigen Mitgliedern. Die ständigen Mitglieder sind die ständigenMitglieder, weil sie die Garanten des Friedens waren. Und jetzthaben wir eine Situation, wo zwischen den ständigen Mitgliedernfast ein Krieg ist.
Tageblatt: Wo steht die UNO, wenn sichnichts tut? Wird sie in Zukunftnoch ernst genommen werden?
Xavier Bettel: Man soll auch nicht die ganzehumanitäre Hilfe vergessen, dieüber die UNO läuft. Ohne die UNO hätte man all das nicht -und dann würden die Menschenauch noch weltweit vor Hunger sterben. Das ist die Realität. Die UNO ist schon sehr wichtig. Aber als politisches Organ,um Garant der internationalenGesetzgebung zu sein, - das istein bisschen schwer im Moment.